Live Rollenspiel oder Live Action Role Playing – kurz LARP oder heute oft Larp – ist etwas Großartiges. Nichts, wirklich NICHTS ist so immersiv wie Larp. In kein Spiel, keine Geschichte, keinen Film, kein Buch und kein Setting taucht man jemals so voll und ganz ein, wie in ein Live Rollenspiel. Und ja, zu dieser Meinung stehe ich 🙂 . Aber was ist Live Rollenspiel überhaupt?
Was ist Live Rollenspiel?
Beim Live Rollenspiel übernehmen die Teilnehmer eine in der Regel fiktive Spielrolle und stellen diese physisch wirklich dar. Anhand dieser Spielrolle interagieren sie mit anderen Spielern in Rolle und mit einer ebenso mehr oder weniger fiktiven Spielwelt. Die Spieler halten sich dabei – wie bei vielen anderen Spielen auch – an verschiedene Arten von Regeln. Innerhalb dieser Regeln können sie sich aber ihrem Charakter entsprechend frei bewegen und verhalten. Und nur sie alleine entscheiden, was ihre Spielfigur tut.
Eine Spielleitung plant und betreut eine Live Rollenspiel Veranstaltung, die sogenannte Con (kurz von engl. Convention). Hierfür mietet sie ein Gelände, schließt eine Versicherung ab, entwirft das Setting des Spiels, besorgt alle benötigten Requisiten, lädt die Teilnehmer ein und, und, und. Oft, aber nicht immer, werden die Spieler dabei von der Spielleitung mit einer interaktiven Geschichte, dem sogenannten Plot konfrontiert. Diese Geschichte verlangt in der Regel von ihnen, dass sie irgendeine Art Problem lösen oder sich einem Konflikt stellen. Aber auch hier gibt es kein Drehbuch, an das sich die Spieler halten, und es gibt keine Zuschauer. Larp ist ein waschechtes Spiel.
Um ihre Geschichte lebendig werden zu lassen und sie den Spielern zu präsentieren, setzt die Spielleitung nicht nur allerhand Requisiten, Kostüme und Special Effects ein. Sondern sie nutzt auch genau wie in Computerrollenspielen sogenannte Nicht-Spieler-Charaktere, kurz NSCs (engl. NPCs). Diese NSCs spielen alle Rollen, die in der Geschichte vorkommen, die aber nicht von Spielern verkörpert werden: Verbündete, Feinde, unwichtige Statisten, mächtige Wesenheiten usw. Anders als die Spieler bekommen die NSCs gesagt, wie sie sich im Spiel zu verhalten haben.
Larp als Freizeit Hobby
Das Thema Live Rollenspiel begann vermutlich irgendwann in den Achtzigern oder Neunziger Jahren als ein Hobby weniger Enthusiasten. Man weiß es nicht genau, aber die gängige Meinung ist, dass einige Spieler von sogenannten Pen & Paper Rollenspielen (z.B. Dungeons & Dragons) ihr normalerweise rein in der Imagination entstehendes Spiel physisch echt in der Realität ausspielen wollten. Und das taten sie dann auch.
Während anfangs die Kostüme noch, ….na sagen wir einfach mal rudimentär waren ;-), stehen die heutigen Kostüme auf Larp Veranstaltungen denen an professionellen Hollywood Film Sets oft in nichts mehr nach. Ebenso arbeiten die Veranstalter und Spieler im Bereich Masken, Special FX, Sound und Pyrotechnik oft mit den gleichen oder ähnlich professionellen Tools und Methoden wie die Filmbranche. Auch im Bereich Game Design, Forschung und Didaktik tut sich im Live Rollenspiel nun bereits seit einigen Jahrzehnten erstaunliches. Insbesondere die alljährlich in Skandinavien stattfindende Knutepunkt Live Rollenspiel Konferenz kann an Internationalität und qualitativ hochwertigen Inhalten durchaus mit ähnlichen Veranstaltungen zum Beispiel in der Games Branche ohne weiteres mithalten.
Kurz: Während wir uns in den 90ern noch mit silber angemaltem Nudelsieb auf dem Kopf und in dem obligatorischen „Piratenhemd“ aus dem Second Hand Laden mit schlecht gemachten Schaumstoffstangen die Köpfe eingehauen haben, lassen heute professionelles Game Design und Darstellung und nicht zuletzt zum Teil millionenschwere Budgets, wie zum Beispiel bei dem Monitor Celestra auf einem waschechten, zu einem Spaceship umgebauten Zerstörer, keinen Zweifel mehr daran: Larp ist ziemlich Erwachsen geworden.
Von Orks bis Biene Maja
Im wesentlichen wars das schon. Allerdings sind die Blüten und Variationen, die das ganze treibt, schier unglaublich. Denn das Tolle ist: Live Rollenspiel kann quasi fast alles sein. Von kleinen Spielen im Seminarraum mit didaktischer oder pädagogischer Zielsetzung – darüber werde ich an anderer Stelle noch ausführlicher schreiben – bis zu reinen Freizeitlarps von zehn bis zu zehntausend Teilnehmern, wie beispielsweise bei der weltgrößten Live Rollenspiel Veranstaltung dem Conquest of Mythodea. Oder aber ganzen Freizeitparks mit dem Thema Live Rollenspiel, wie der Themenpark Weltentor.
Live Rollenspiel findet heutzutage in fast allen Ländern und in jedem erdenklichen Setting statt. Von den „klassischen“ Fantasy Live Rollenspielen auf Burgen und in Wäldern, mit Rittern, Elfen und Zwergen, über realitätsverwirrende Agenten Krimis oder Zombiekalypsen bis hin zu fantastischen Segel Larps auf alten Zweimastern in der Karibik. Sogar wie Harry Potter oder wie in einer Folge Downtown Abbey kann man sich fühlen. Mit Larp kann man einfach alles machen.
Aber das spannende ist: Mit Larp kann man auch ganz kleine Sachen machen: Auch mit einer Hand voll Leute in einem kleinen Raum lassen sich magische Welten erschaffen, knifflige Rätsel lösen oder am eigenen Körper und mit allen Sinnen nachempfinden, wie es sich anfühlt souverän mit einer Ja-Aber-Situation umzugehen oder wie man sich eigenmächtig aus einer Mobbing Situation befreien kann. – Auch darüber werde ich noch an anderer Stelle ausführlicher schreiben.
Mittendrin statt nur dabei
Aber warum ist Live Rollenspiel so viel immersiver als Film oder auch andere interaktive Medien? Nun, das liegt daran, dass man im Live Rollenspiel wahrlich mit Haut und Haar in das Spiel und das Setting eintaucht. Man brüllt nicht den Protagonisten eines Films an, er solle gefälligst in die andere Richtung gehen. Sondern man geht tatsächlich selber als der Protagonist in diese andere Richtung. Man spielt nicht indirekt eine Spielfigur, indem man sie
über einen Controller steuert. Sondern man verkörpert diese Spielfigur wirklich selber. Mit der eigenen Mimik und Gestik, mit eigenen Anstrengungen und Taten und mit einer passenden Gewandung (Kostüm), Make Up und Requisiten. Wenn man kämpft, kämpft man wirklich (mit sicheren aber täuschend echt aussehenden Polsterwaffen). Wenn man tanzt, tanzt man wirklich. Und wenn alle zusammen eine schwere Last bewegen müssen, dann… …okay you get the picture 😉
Denn an die echte Stimmung in einer Taverne, mit einer Gruppe phantastischer und bisweilen wild durcheinander gewürfelter Wesen, Freunde und Feinde, mit einem Met in der Hand und dem Geruch von offenem Feuer in der Nase und dem (schrägen) Gesang eines Bardens im Ohr, kommt einfach keine virtuelle Welt heran. Und es ist ein Unterschied, ob man auf dem Bildschirm sieht, wie auf seinen Helden 100 Barbaren zu rennen. Oder ob man selber mit seinen Mitstreitern in einer Schlachtreihe mit Rüstung und Schwert steht und auf einen selbst hundert oder sogar tausend brüllende Barbaren zu rennen und man weiß: Die werden gleich auf die eigene Schlachtreihe prallen!
Und nichts, wirklich nichts lässt einem so sehr das Herz in die Hose rutschen, wie wenn man sich nachts mitten im Nirgendwo aus seinem Zelt lümmelt, um noch mal für kleine Elfen zu gehen. Und während man im Stockdunkeln mit runtergelassenen Hosen im Feld hockt, beginnt es überall um einen herum plötzlich zu zischeln und aus dem hohen Gras um einen herum erheben sich düstere Schattengestalten mit gezückten Dolchen. Wenn einem dann das Herz bis zum Hals schlägt und einem der kalte Angstschweiß den Rücken runter läuft, DANN weiß man, was Immersion ist 😉