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How to work with: a Game Writer | Interview mit Falko Löffler

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Bei nahezu jedem Computerspiel und vielen anderen spielbasierten Projekten braucht man sie: Game Writer. Sie schreiben die Story, die Dialoge und alle anderen Texte im und um das Spiel. Aber wie arbeitet man am besten mit einem Game Writer zusammen? Genau das möchte ich heute im Interview mit Falko Löffler erfahren.

Bild von dem Game Writer Falko Löffler

Falko Löffler ist ein echtes Original nicht nur der Games Branche. Schon seit 1996 schreibt und übersetzt er Texte für Computerspiele, Drehbücher und Romane. Er hat von Anno bis Alarm für Cobra 11 gefühlt schon alles gemacht. Zuletzt war er der Lead Game Writer für die erfolgreiche Neuauflage des Klassikers Leisure Suit Larry: Wet Dreams Don´t Dry und den im Oktober 2020 erscheinenden Nachfolger „Wet Dreams Dry Twice“. Außerdem macht er jeden zweiten Dienstag den Podcast „Kapitel Eins“ zusammen mit Jochen Gebauer.

Hey Falko. Danke, dass du dir heute Zeit für mich nimmst. Erzähl mal: Was genau ist dein Job als Game Writer bei einem Game oder interaktiven Projekt? 

Kommt auf das konkrete Game an und die Art von Story oder Text, die benötigt werden. Wichtig ist auch die Frage, in welchem Stadium der Entwicklung ich dazukomme. Manchmal muss ich die existierenden Texte nur noch überarbeiten, manchmal muss die Story überarbeitet werden, manchmal entwickele ich mit dem Team alles von Grund auf. „Game Writer“ ist also nicht nur eine Art von Job, sondern kann Lektor, Script Doctor oder Dramaturg bedeuten. Oft ist es eine Mischung aus mehreren Arbeitsgebieten, und natürlich funktioniert die Storyentwicklung und das Textschreiben nicht losgelöst vom Rest des Entwicklungsprozesses. Sollte es jedenfalls nicht.

Mit wem arbeitest du dabei im Team direkt zusammen?

Ich bin Teil einer größeren Organisationsstruktur – ob ein Spiel von drei oder von dreihundert Leuten entwickelt wird. Klar ist: je größer das Team, desto klarer muss sein, wo welche kreativen Entscheidungen getroffen werden. In aller Regel wird das Writing als eine Unterdisziplin des Game Designs gesehen, daher kommuniziere ich meist mit der Person, die die Oberhoheit darüber hat. Bei vielen Spielen ist das so auch völlig in Ordnung, aber je wichtiger eine Story für ein Spiel ist, desto deutlicher sollte das Writing als eigene Disziplin angesehen werden und auf Augenhöhe mit den anderen Aspekten der Entwicklung.

Wie sollte diese Zusammenarbeit idealerweise laufen? 

Auf der untersten technischen Ebene muss klar sein, wie der Text an sich ins Spiel kommt. Also welches Tool wird benutzt, welches Dateiformat, gibt es Import- und Exportmöglichkeiten, wie soll der Workflow bei Überarbeitungen aussehen usw. Je fixer diese Basis ist, desto besser. Allerdings ist die Gefahr dabei ein „Das haben wir schon immer so gemacht“, auch weil niemand Zeit oder Budget hat, den existierenden Workflow, beispielsweise vom letzten Projekt, zu optimieren.

Idealerweise kommt das Feedback auch nicht von allen möglichen Leuten, sondern zentralisiert.

Falko Löffler

Texte und Storytelling werden im Gegensatz zu Programmierung und Grafikdesign oft als wenig komplex wahrgenommen, und ich habe gerade in der Spielebranche zu viele Leute erlebt, die „ich habe viele Filme gesehen“ verwechseln mit „ich verstehe auch was von Storytelling“.

Wie die Zusammenarbeit läuft, weiß ich bei Leuten, mit denen ich vorher nicht zu tun hatte, am Anfang selbst nie. Manchmal ist man sofort auf einer Wellenlänge, manchmal muss es sich erst eingrooven, manchmal ist man einfach inkompatibel. Und natürlich mache auch ich Fehler und verschätze oder verhebe mich.

Wie erfährst du als Game Writer, was du schreiben sollst? Und wie sollte das am Besten laufen? 

Das ist entweder ganz offensichtlich durch das Genre, in dem sich das Spiel bewegt, oder es wird dann eben gemeinsam definiert. Eine große Frage ist immer, wie viel Arbeit in Material gesteckt werden soll, das nicht direkt im Spiel zu verwerten ist. Also dramatische Story-Zusammenfassungen, eine World Bible, Testdialoge und so was. Die sind einerseits unerlässlich, um einen Workflow zu entwickeln und eine gemeinsame Vision zu definieren, aber das sind dann keine zählbaren, sichtbaren Dinge im eigentlichen Spiel.

Wofür schreibst du denn eine Story Zusammenfassung?

Eine Zusammenfassung kann an alle möglichen Leute gehen: externe Mitarbeiter, Lizenzgeber, Presse … im Idealfall passt man es natürlich noch an.

Und erklärst du uns, was eine World Bible ist? 

Storylastige Spiele sollten einen lexikalischen Überblick liefern über alle Elemente, die sich gegenseitig beeinflussen. Offensichtlich ist es, wenn man es wirklich mit etwas zu tun hat, was eine ganze Welt mit unterschiedlichen Ländern, Völkern, Kulturen, Charakteren umfasst. Aber auch ein Spiel, das räumlich eng ist, aber wo die Charaktere komplex miteinander verwoben sind, sollten eine leicht verständliche Übersicht haben. Das größte Problem ist nicht, so etwas zu schreiben, sondern es während der Entwicklung konstant zu pflegen, denn unterwegs ändern sich so ziemlich alle Elemente eines Spiels …

Und wofür schreibst du Testdialoge?

Um ein Gefühl für die Figuren zu entwickeln. Wie sprechen sie, was ist ihr typischer Wortschatz, haben sie einen bestimmten Sprachrhythmus, sprechen sie mit bestimmten Figuren anders etc.

Verrate uns mal: Was ist die Todsünde in der Arbeit mit einem Game Writer? Und was ist der Satz, den ein Auftraggeber niemals zu einem Game Writer sagen sollte? 

Da ich jetzt fast 20 Jahre lang Freiberufler bin, habe ich schon ziemlich viele Sätze gehört. Nicht empfehlen kann ich die Vorgehensweise des Chefs einer Firma, mit der ich es mal zu tun hatte. Der schickte mein Story-Doc mitten in der Nacht zurück und hatte nur Beleidigungen reingeschrieben. In roter Schrift. Diese sogenannte Zusammenarbeit hat nicht lange gedauert.

Ich habe auch schon das Gegenteil erlebt, nämlich dass Leute glauben, man dürfe die zarte Künstlerseele durch kritisches Feedback nicht beschädigen. Da kommt dann einfach zu wenig zurück, und dadurch werde ich etwas orientierungslos, was ich eigentlich machen soll, was die gewünschte Richtung ist. Es gibt keine Todsünde. Mir kann jeder alles sagen. Schlimmstenfalls melde ich mich halt danach nicht mehr.

Und wie sorgt man dafür, dass du dich als Autor optimal entfalten kannst?

Kaffee!

Davon abgesehen muss ich selbstkritisch sagen, dass es tatsächlich oft dann schwierig wurde, wenn ich mich zu sehr zurückgenommen habe. Es geht mir nicht darum, einem Spiel oder einem interaktiven Projekt meinen fetten Stempel aufzudrücken, sondern die Leute mit der eigentlichen Idee zu unterstützen. Wenn ich dann eine Vorgabe anderer Leute umzusetzen versuche, bei der ich eigentlich denke, dass sie nicht funktioniert, oder wenn ich das Gefühl habe, dass das visionär angestrebte Ziel nicht erreichbar ist, aber ich diese Grundsatzfrage nicht thematisieren will, oder wenn die Toolbasis noch nicht steht … das sind die Sachen, bei denen ich dann selbst doof dastehe, wenn alles nicht zusammenpasst und nicht läuft wie gedacht.

Also: optimale Entfaltung durch optimales Umfeld, die Technik steht, inhaltlich funkt man auf einer Wellenlänge und Rechnungen werden zeitig bezahlt (Tantiemen wären auch mal schön).

Was ist deiner Meinung nach der Schlüssel zu einer guten Arbeit im Team? 

Ich wünschte, ich könnte jetzt irgendeine Businesskasper-Selbstverständlichkeit wie „alle müssen an einem Strang ziehen“ oder so was bringen.

Gute Teamarbeit basiert auf Vertrauen, und das muss wachsen. Teams müssen wachsen.

Falko Löffler

Aber Teams verändern sich auch, so wie sich Individuen im Team verändern. Eine einfache, allgemeingültige Konstellation, in der es automatisch funktioniert, gibt es leider nicht. Teams müssen sich immer wieder justieren, aber dieser Prozess darf nicht zur Selbstkasteiung führen. Es müssen halt alle an einem Strang … ach, fuck.

Zu guter letzt: Kannst du uns verraten, woran du gerade arbeitest? 

Ich habe gerade gearbeitet und bin noch in der Rekonvaleszenz. 2020 war bei mir bislang von unserem zweiten „Leisure Suit Larry“-Spiel geprägt, nämlich „Wet Dreams Dry Twice“. Das war ein hartes Stück Arbeit, weil es auch vom Text her umfangreicher als der Vorgänger geworden ist, ich zwischendrin noch eine kleine OP hinter mich bringen musste und, tja, eine gewisse Pandemie gibt’s auch noch. Das Projekt hat mich ziemlich ausgezehrt, aber es wird ein ganz großartiges Spiel werden – wie es immer wieder mit Games ist …

Der Trailer zu Leisure Suit Larry – Wet Dreams Don´t Dry
Das Logo vom Buchpodcast von Falko Löffler und Jochen Gebauer aus dem Interview mit Falko Löffler

Daher erhole ich mich jetzt ein wenig von der Spielebranche und schreibe nach einigen Jahren im Prosa-Trockendock wieder einen Roman. Diesmal einen klassischen Krimi, so was hatte ich noch nicht. Außerdem betreiben Jochen Gebauer auf buchpodcast.de ja unseren – wait for it – Buchpodcast namens „Kapitel Eins“, mit dem wir dieses Jahr noch mehr vorhaben.

Danke Falko für deine Zeit und die guten Tipps! 🙂

In der Serie „How to work with…“ spreche ich regelmäßig mit Profis aus der Gamesbranche oder angrenzenden Branchen. Dabei quetsche ich sie aus, wie man am besten mit den unterschiedlichen Teammitgliedern zusammen arbeitet. 

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