Rollenspiele in Trainings. Beinahe jeder, der schon mal an einem Training teilgenommen hat, kennt sie. Dabei ist dieses Tool so weit verbreitet wie unbeliebt. Aber warum sind sie weit verbreitet? Und vor allem: Warum sind sie eigentlich so unbeliebt?
Man kennt das: In einem Training kommt es zu dem Punkt, wo man als Führungskraft den Umgang mit einem Mitarbeiter üben soll. Oder wo man als Verkäufer einen Interessenten zum Kauf überzeugen soll. Oder wo man als Personaler eine klassische „Ja, aber“-Situation aus dem Weg zu räumen hat. Und dann ist es so weit: Das Rollenspiel.
Grundsätzlich stellen Rollenspiele dabei in Trainings eine nützliche und funktionale Methode dar, um konkrete Situationen praktisch zu erleben. So können die gewünschten Fähigkeiten scheinbar realitätsnah eingeübt werden. Der vermittelte theoretische Input kann sofort im Anschluss in die Praxis übertragen werden und der Trainer kann dabei begleiten und Feedback geben. Aber was ist dann eigentlich das Problem mit Rollenspielen, wie sie in der Regel in Trainings umgesetzt werden?
Das Problem mit „Rollenspielen“ in Trainings
Das Problem mit den klassischen Rollenspielen, wie sie in Trainings eingesetzt werden, ist die Reaktion der Teilnehmer. Bestenfalls sind alle etwas peinlich berührt. Schlimmstenfalls sind alle richtig genervt. Oft sogar der Trainer selbst, weil er seine Teilnehmer mal wieder mit einer uralten Standardmethode in eine ihnen unangenehme Situation zwingt. Das Problem ist also:
Die meisten Teilnehmer fühlen sich in klassischen Trainings-Rollenspielen nicht wohl. Sie fühlen sich auf die Bühne gezerrt und sollen in einer oft wenig glaubwürdigen Situation ein vorher definiertes Verhalten korrekt abspulen. Share on XDazu kommt das Problem, dass die nachgespielten Situationen letztendlich oft wenig authentisch sind: Die Teilnehmer fühlen sich in der nachgestellten Situation nicht so, wie sie sich in der realen Situation fühlen würden. Und ihre Gedanken kreisen eher darum, was wohl von ihnen erwartet wird oder wann sie wohl endlich aus der Situation entlassen sein werden. Das heißt, ihr aktueller State of Mind und ihre Gefühlslage haben meistens nichts mit der realen, nachgestellten Situation zu tun. Dadurch ist die Methode den meisten Teilnehmern nicht nur unangenehm. Sondern auch der Trainingseffekt lässt tatsächlich oft mehr als zu wünschen übrig.
Aber was wäre, wenn es eine wirklich gute Alternative zu Rollenspiel gäbe?
Gibt es nämlich: Rollenspiel.
Okay, ich seh schon. Das muss ich genauer erklären:
Rollenspiele in Trainings sind keine Spiele
Die Ursache allen Übels mit Rollenspielen in Trainings ist die Tatsache, dass diese eigentlich gar keine Spiele sind. Die klassische Rollenspiel Methode heißt zwar aufgrund ihrer Herkunft „Rollenspiel“. Aber tatsächlich ist sie eigentlich gar kein Rollenspiel. Denn dem klassischen Trainings-Rollenspiel fehlen jegliche konstituierenden Charakteristika von Spiel. Es fehlt die spielerische Herangehensweise der Teilnehmer oder der Game Frame, also die Wahrnehmung der Teilnehmer des Ganzen als Spiel. Und es würde wohl auch kein Teilnehmer eines Trainings-Rollenspiels im Nachhinein so ein Erlebnis als ein richtiges, spannendes oder unterhaltsames Spiel beschreiben…
Tatsächlich sind Rollenspiele in Trainings lediglich Simulationen von realen Situationen. Die Teilnehmer nehmen „Rollen“ ein, die sie so oder so ähnlich auch im Alltag innehaben. So stellen sie eine Situation nach, wie sie auch im Alltag stattfinden würde. In der klassischen Trainings-Methode Rollenspiel simuliert man also lediglich eine reale Situation. Man „spielt“ sie nach, wie man im Theater eine Szene nachspielt. Nur sind die meisten von uns eben keine gelernten und geübten Schauspieler und fühlen sich „auf der Bühne“ alles andere als wohl und kompetent.
Rollenspiele in Trainings sind keine Spiele. Sie sind lediglich Simulationen von realen Situationen. Share on XEin echtes Rollenspiel dagegen ist ein richtiges Spiel. Mit allem drum und dran: Die Teilnehmer wollen es wirklich spielen, sie haben Spaß dabei, sie sind unglaublich motiviert, fühlen sich wohl und stellen sich mutig jeder Herausforderung.
Rollenspiel. Eine Alternative zu Rollenspiel
Im Gegensatz zu den Simulationen, die in Trainings eingesetzt werden und die nur Rollenspiel heißen, gibt es also tatsächlich auch echte Rollenspiele. Bei diesen „echten“ Rollenspielen simuliert man keine gänzlich realen Situationen. Sondern die Teilnehmer lassen ihre Alltagsrollen hinter sich und übernehmen mehr oder weniger fiktive Spielrollen. Man tut also so, als ob man ein Agent, ein Ritter, ein Manager oder eine Banane wäre. Okay, eine Banane eher selten, aber ich denke es wird klar, was ich meine: Man schlüpft in eine Rolle, die man so im Alltag eben nicht inne hat. Die Teilnehmer können sich dabei tatsächlich auch selber spielen. Wenn man ihnen beispielsweise eine für sie eher ungewöhnliche Aufgabe zuweist, kann sie auch das ausreichend aus ihrer Alltagsrolle heraus holen.
Auch diese echten Rollenspiele kann man zu Trainingszwecken einsetzen. Und das Phänomenale daran ist: Wenn man echte Rollenspiele in Trainings einsetzt, behalten sie ihre Charakteristika von Spiel: Die Trainings machen wirklich Spaß. Die Teilnehmer wollen diese Spiele tatsächlich spielen. Und sie stellen sich mutig jeder Herausforderung, die man ihnen präsentiert.
Urlaub von sich selbst
Nicht nur ihre Alltagsrolle lassen die Teilnehmer dabei hinter sich. Sie lassen auch gleich ihren ganzen Alltag hinter sich. Denn die Teilnehmer interagieren anhand ihrer Spielrolle mit einer Spielwelt. Und sie tun dabei so, als ob diese Spielwelt – diese andere Realität – real wäre. Auch diese andere Realität kann fiktiv und phantastisch sein, muss es aber nicht. Auch hier können kleine, gekonnt eingesetzte Variationen im Setting oder der Geschichte dazu führen, dass die Teilnehmer vorübergehend ihre Alltagsrealität ausreichend und gründlich hinter sich lassen.
Dabei ist das so tun, als ob, so trivial wie es klingt, der fundamentale Aspekt eines echten Rollenspiels. Denn dadurch, dass die Teilnehmer so tun, als ob die Spielwelt real wäre, dadurch, dass sie so tun, als ob sie tatsächlich diese andere fiktive Person wären, wird die ganze Sache für einen begrenzten Zeitraum tatsächlich „real“.
Das ganze deutet die Eleganz und regelrechte Magie von echtem Rollenspiel als Methode schon an: Durch das richtige Eintauchen in eine andere Welt – sei sie noch so nah an der normalen Realität – entsteht nicht nur ein ungeahnter, unfassbar gigantomanisch großer Raum an Möglichkeiten. Es tritt auch ein unvergleichlicher Entlastungseffekt ein: Die Teilnehmer lassen für einen begrenzten Zeitraum alle Pflichten, Aufgaben, Lasten, Anforderungen und soziale Konventionen ein Stück weit hinter sich. Sie tauchen ein in den fantastischen Schutzraum von Spiel. Den Game Frame, die surplus reality, den magic circle of gameplay.
Echtes Rollenspiel: Spiel und Simulation
So lassen sich in diesen echten Rollenspielen nicht nur ebenfalls jegliche gewünschte Situationen simulieren und trainieren. Sondern die Teilnehmer erleben diese „Simulationen“ von realen Situationen trotz oder genau genommen wegen der fiktiven Realität in die sie übertragen werden, als sehr viel authentischer. Denn dadurch, dass die Teilnehmer in einem gut gemachten, echten Rollenspiel ihren Alltag und ihre Alltagsrolle wirklich hinter sich lassen, verlieren Gedanken an Konventionen, soziale Erwünschtheit und die Gefahr des sich Blamierens jegliche Macht über die Teilnehmer.
Eben jener „magische“ Effekt der surplus reality, des Game Frames, des magic circle of gameplays macht es möglich, dass die Teilnehmer in einen Schutzraum eintauchen. Dieser ermöglicht es frei von Gedanken an mögliche Konventionen sich auszuprobieren und Handlungen und Veränderungen probehalber zu vollziehen und so Hemmschwellen und Abwehrmechanismen zu entkräften (van Ameln und Kramer, 2007, S.400).
Der Schlüssel dabei ist, dass die simulierte Situation eben nicht eins zu eins in ein vermeintliches Rollenspiel übertragen wird. Sondern es werden die wesentlichen Aspekte an der zu trainierenden Situation heraus gearbeitet und nur diese in ein mehr oder weniger fiktives Setting übertragen. So entsteht ein isomorphes, ein gleichgestaltiges Modell dieser Realität. Das heißt, nur die wesentlichen Aspekte sind gleich, alles andere kann anders sein.
Echte Gefühle in einer fiktiven Welt
Das führt dazu, dass die Teilnehmer in einem echten Rollenspiel auf die jeweils relevanten Aspekte bezogen nahezu die gleichen Gefühle und Wahrnehmungen, den gleichen State of Mind haben, wie in der realen Situation für die sie trainieren. Anders als in einer reinen Simulation machen sich die Teilnehmer keine Gedanken darüber, ob sie sich angemessen verhalten oder wann das alles endlich vorbei ist. Sie gehen in der Regel ganz in der Situation auf und tauchen in den Flow des Spiels ein.
Dadurch wird die Trainingssituation in der fiktiven Realität emotional und kognitiv authentischer als ein Training in der realen Welt. Die Teilnehmer reagieren realitätsnah und können sich ausprobieren. Durch die authentische emotionale Situation werden die gelernten Inhalte und Erfahrungen später leicht in den Alltag übertragen.
Und das macht echte Rollenspiele nicht nur zu einer echten Alternative für Rollenspiele. Sondern zu einer ihnen haushoch überlegenen Methode.