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Wofür braucht man eigentlich einen Creative Director?

Posted in Was ist eigentlich?

Die Position des Creative Director ist bei der Entwicklung von Spielen gar nicht mal so üblich, wie man meinen könnte. Ich persönlich halte diese Position aber tatsächlich für absolut unerlässlich. Gerade bei der Entwicklung von Spielen. Im folgenden Artikel will ich euch erklären warum.

Was ist eigentlich ein Creative Director?

Der Titel Creative Director (CD) kommt primär aus der Werbe Branche. Dort ist der Creative Director der oder diejenige, der den kreativen Hut aufhat und alles Kreative zusammen hält. Er oder sie steht über allen kreativen Prozessen und ist entweder Teil der Geschäftsführung oder ihr direkt unterstellt. Wie Wikipedia aber auch schon treffend bemerkt, ist diese nicht geschützte Berufsbezeichnung allerdings vorsichtig gesagt in den letzten Jahren etwas „schwammig“ verwendet worden. Manche gehen sogar soweit zu sagen, dass diese Berufsbezeichnung ungnädig verheizt wurde und derzeit so ein bisschen Berufsbezeichnung non grata ist.

Wie ich finde: Absolut zu unrecht.

Spiele-Produktion als Kathedral-Bau

Vielleicht habe ich das hier schon mal irgendwo auf dem Blog geschrieben, aber ein Dozent meines Mannes hat damals in seinem Studium an der HFF Babelsberg folgende Metapher geprägt, die uns seit dem begleitet: Nämlich dass Filme machen wie das Bauen einer Kathedrale ist. Für mich trifft das eins zu eins, wenn nicht sogar noch mehr, auch auf Spiele zu.

Denn bei der Entwicklung von Spielen kommen unendlich viele verschiedene Fachkräfte zusammen: Game Designer, Level Designer, Concept Artists, 2D Artists, 3D Artists, Animatoren, Narrative Designer, Game Writer, Programmierer, Sounddesigner, Komponisten, Sprecher, Technical Artists, und, und, und, und…. Und all diese unterschiedlichen Expert:innen produzieren oder verarbeiten unendlich viele verschiedene Arten von Assets: Konzepte, Texte, Features, 2D und 3D Art, Animationen, Sound Files, Sprachaufnahmen, etc.pp, die dann schlussendlich alle noch in Form von Code irgendwie zusammen getackert werden müssen.

Die absolut gigantische Herausforderung bei Spielen ist nun, dass aus diesen ganzen unendlich vielen Einzel-Assets am Ende ein konsistentes und kohärentes Spiel wird. Und in künstlerischer Hinsicht ist das der Job des Creative Directors.

Die Vision als Direktive in der Spiele Entwicklung

Damit aus diesen ganzen einzelnen Puzzle-Stückchen ein konsistentes Produkt wird, braucht es eine Vision. Ich persönlich bin eher die Fraktion, die mit einer konkreten Vision anfängt zu produzieren. Andere entwickeln die irgendwie on the fly. Fakt ist: Egal wie, es braucht eine Vision. Denn sie ist die Direktive, die Marschrichtung, der Prüfstein, der dafür sorgt, dass am Ende all diese Leute auch wirklich am gleichen Produkt arbeiten. Und nicht doch jede oder jeder an irgendetwas anderem arbeitet, was er oder sie sich so persönlich unter dem Produkt vorstellt.

Ihr würdet gar nicht glauben, wie oft sowas in der Praxis passiert…

Und genau hier kommt der oder die Creative Director:in ins Spiel. Denn man muss wahrlich kein Genie sein, um zu erkennen, dass es dafür nicht nur überhaupt erstmal eine klare und schlüssige Vision braucht. Sondern, dass es für ein konsistentes Produkt, das von unzähligen verschiedenen Experten entwickelt werden soll, auch Unmengen an Kommunikation braucht, damit alle wirklich diese Vision kennen, verstehen und befolgen und tatsächlich auch alle an der gleichen Vision arbeiten.

Und genau das ist der Job des Creative Directors:

  1. Eine Vision entwickeln
  2. Die Vision schriftlich dokumentieren
  3. Die Vision kommunizieren und das Team dafür begeistern
  4. Dafür sorgen, dass jedes kleine Puzzle Stück des Projekts konsistent mit dieser Vision ist

Also mal von vorne:

1. Eine Vision entwickeln

In der Gamesbranche hält sich ja hartnäckig die Auffassung, dass jeder Depp Ideen habe. Und dass das eigentlich nichts besonderes sei. Und dass es eigentlich nur darauf ankomme, etwas umsetzen zu können. Es macht sogar immer wieder der Trope des „Idea-Guys“ in der Branche die Runde: Jemand der immer „die besten Ideen hat, aber nichts umgesetzt bekommt“. Eine weit verbreitete Auffassung in der Branche ist somit, dass Ideen allein für sich genommen wertlos sind und nur die konkrete Umsetzung irgendwas kann.

Nun, auch wenn ich jetzt länger darüber referieren könnte, was das meines Erachtens über Teile der Games Branche aussagen könnte, fasse ich mich an dieser Stelle kurz und sage nur: Das sehe ich anders.

An dieser Stelle gehe ich voll und ganz mit der wundervollen Aussage von Cliff Bleszinski – damals noch bei Epic Games – in dem Buch „Game Design – Die Geheimnisse der Profis“ von Marc Saltzman von 1999 (Ja, mann! Ich bin alt! 😉 ):

„Die Fähigkeit, gute von schlechten Ideen zu unterscheiden, wird stark unterschätzt.“

Cliff Bleszinski, 1999

Denn das Eine ist es, eine Idee zu haben. Das andere ist es, eine gute Idee zu haben. Und das dritte ist dann: Das eine vom anderen unterscheiden zu können. Und wie Cliff das schon auf den Punkt bringt: Wow, wird diese Fähigkeit unterschätzt 😉

Woher die Vision kommt und was sie umfasst

Nun kommen diese – hoffentlich guten – Ideen in der Produktion von Spielen nicht zwangsläufig immer von der Creative Director:in. Sondern oft kommen die initialen Ideen auch von der Game Designer:in oder sogar manchmal auch von der Produzent:in. Aber es muss immer die Aufgabe der Creative Director:in sein, diese Idee wirklich, quasi auf „globaler“ Ebene auszugestalten. Denn ein gutes Produkt – und das sagt die Game Designerin in mir mit etwas Herzschmerz – besteht eben nicht nur aus Game Design oder gar aus Produktionsabsichten.

Ein gutes Produkt muss ein alle kreativen Ebenen (und ein paar Produktionsaspekte 😉 ) umfassendes Konzept haben. Eine reine (!) Game Designer:in kann das an dieser Stelle nicht alleine leisten. Wobei man klar sagen muss, das ganz viele Game Designer:innen oft auch Aufgaben des Creative Directors mitmachen (müssen). Insbesondere wenn die Position des Creative Directors nicht explizit besetzt ist. Und das nicht immer aber eben doch oft ohne diese Referenz, Berechtigung oder gar Kompetenz zu haben. Aber das ist ein anderes Thema für einen anderen Blog Artikel…

2. Die Vision schriftlich dokumentieren

Schriftlich? Ja der Creative Director muss die Vision schriftlich dokumentieren! Da die Vision quasi das Fundament für das gesamte zu entwickelnde Produkt ist, ist es essentiell, dass diese auch klar, präzise und auf den Punkt irgendwo für alle einsehbar schriftlich festgehalten wird. Wie bei jeder Form von Doku gelten hier ein paar Regeln:

  1. So kurz wie möglich, so lang wie nötig.
    In die Vision muss alles rein, was wirklich zwingend ist. Aber nicht mehr. Wir wollen, dass diese tatsächlich von allen im Team gelesen wird. Da hilft es ungemein, wenn sie so kurz wie möglich ist.
  2. So konkret wie möglich
    Die Vision sollte für alle – von jedem Department – klar begreifbar sein und sie nicht mit dreißig Fragezeichen über dem Kopf hinterlassen, weil sie einfach viel zu abstrakt ist.
  3. Ein Bild oder ein Beispiel sagt mehr als tausend Worte
    Bilder, Skizzen und Referenz-Beispiele, auch von anderen Spielen, sind eine gute Art und Weise klar und einfach und dabei sehr konkret zu kommunizieren, wo man mit dem Produkt hin will.

Die Vision muss alle im Team auf eine Seite bringen und in die richtige Richtung inspirieren. Nur so sind während der oft langen Produktionszeit alle bereit, für genau diese Vision ihr Bestes zu geben. Dafür muss sie von allen gelesen, verstanden und mit getragen werden. Was uns zum nächsten Punkt bringt:

3. Die Vision kommunizieren und das Team begeistern

Es reicht nicht, wenn die brillante Vision aufgeschrieben wird und jeder im Team ein mal dazu verdonnert wird, sie zu lesen. Die Vision muss für alle und für die ganze Dauer der Produktion zentraler Point of View für die gesamte Entwicklung und Produktion sein. Und hierfür braucht es eben einen Deppen, der sie immer wieder hoch hält und immer wieder aufs neue das Team auf sie einschwört. Auch wenn vielleicht zeitweise Teile des Teams oder im worst case sogar das ganze Team mal lieber in eine andere Richtung driften würden.

In der Games-Branche gibt es dafür auch immer mal wieder die Position des „Vision Keepers“ , dessen Aufgabe es ist, die Vision immer wieder hoch zu halten. Oft bekommt einer der Kreativen im Team diese Aufgabe noch zusätzlich aufgedrückt. Abgesehen davon, dass diese Bezeichnung noch viel schwammiger als die des Creative Directors ist – was der Sache nicht unbedingt hilft – unterscheiden sich diese beiden Positionen genau genommen auch erheblich. Denn wie wir später sehen werden, gehört zum Job des Creative Directors nicht nur das Vision keepen. Sondern der oder die Creative Director:in übernimmt auch ne ganze Latte an handfesten Führungs-Tätigkeiten, für die der Vision Keeper so in der Regel nicht zuständig ist.

4. Für die Konsistenz des Produkts sorgen

Wie wir oben schon gesehen haben, entsteht ein Computerspiel – genau wie eine Kathedrale oder ein Film – aus Millionen kleinen Einzelteilen, die von vielen verschiedenen Experten entwickelt und umgesetzt werden. Es ist tatsächlich eine große Herausforderung, dafür zu sorgen, dass aus diesen ganzen kleinen Puzzle Stücken ein sinnvolles, konsistentes und auch harmonisches Ganzes wird. Und das ist der Punkt wo spätestens klar werden sollte, warum ein Creative Director für jede Form von größerer Spiele Produktion absolut unerlässlich ist. Denn er oder sie ist die den ganzen kreativen Departments übergeordnete Person, die ganz genau dafür sorgt: Dass aus den ganzen kleinen Puzzleteilen ein konsistentes Produkt wird.

WIE der Creative Director das erreicht, das ist genau der spannende Punkt. Denn der Creative Director ist eben wie oben schon geschrieben nicht „nur“ ein simpler Vision Keeper, der immer wieder im Team das Fähnchen der Vision schwingt, wenn einzelne oder alle drohen in eine andere Richtung zu driften. Sondern er oder sie ist eben auch eine ganz konkrete Führungsperson für das kreative Team und übernimmt die damit verbundenen handfesten Aufgaben.

Der ganze Kladderadatsch der da noch so dran hängt – oder auch: wenn der Creative Director fehlt

Ein Team zu Führen ist zu allererst einmal eins: Arbeit. Und ein kreatives Team zu führen ist, …nun ja: eine gewissermaßen spezielle Arbeit 😉 . Und die muss halt irgend jemand einfach machen. Vergibt man, wie so oft in der Games Branche, die Position des Creative Directors nicht (explizit), entsteht häufig eine klaffende Lücke zwischen einerseits dem Producer und andererseits dem Game Designer und, wenn man Glück und einen Art Director hat, auch dem Art Director.

Denn ohne Creative Director fehlt die übergeordnete Instanz

  • die alle kreativen Belange aller kreativen Departments koordiniert
  • und dafür sorgt, dass alle Einzelteile der Vision entsprechen
  • und dass die einzelnen Puzzle-Stücke aus den unterschiedlichen Departments später miteinander funktionieren

Darüber hinaus fehlt ohne Creative Director die Fachkraft, die

  • ein Auge auf die gesamte kreative Dokumentation hat und dafür sorgt, dass sie nicht nur wirklich gemacht wird, sondern auch von allen up to date gehalten wird.
  • in der Regel die Assetlisten schreibt
  • eindeutig und prägnant und aus der Vision resultierend die kreativen Arbeitsaufträge verteilt
  • dabei darauf achtet, dass in den jeweiligen Departments die Dinge in der richtigen Reihenfolge erledigt werden, so dass auch die anderen Departments weiter arbeiten können.
  • dem Game Designer und Art Director fachlich fundiertes Feedback für alle kreativen Arbeiten gibt und allen, die nicht direkt dem Game Designer oder Art Director unterstehen (Sounddesign, Texte, etc.)
  • die entsprechenden Abnahmen der Assets macht.
  • Und auch die Person, die, wenn sie es kann, oft Regie bei den Sprachaufnahmen führt.

Und ohne Creative Director fehlt die Führungskraft, die

  • alle kreativen Belange gebündelt und aufgeräumt an die Geschäftsführung kommuniziert
  • und die Anforderungen und das Feedback der Geschäftsführung kompetent und auch ein wenig einfühlsam an die Kreativen weitergibt
  • so fehlt auch der Puffer zwischen Geschäftsführung und Kreativen in beide Richtungen
  • und die Person, die das Produkt als ganzes und die entsprechende Marktplatzierung im Blick behält.

Denn weder Producer noch Game Designer oder Art Director sind für diese Aufgaben zuständig:

  • Der oder die Producer:in kümmert sich darum, DASS das Projekt pünktlich und innerhalb des bestehenden Budgets fertig wird. Er oder sie hat erstmal überhaupt nichts mit dem ganzen kreativen inhaltlichen Kram zu schaffen.
  • Der oder die Game Designer:in – sofern er oder sie nicht auch den Job des Creative Directors übernimmt – kümmert sich eigentlich erstmal nur um das Game Design, aber nicht um die ganzen anderen kreativen Departments und deren Assets
  • und der oder die Art Director:in kümmert sich um die ganzen visuellen Assets nicht aber um das Game Design oder das Sound Design.

Die Situation ohne Creative Director

Fehlt ein/e Creative Director:in sind im wesentlichen zwei Szenarien und deren Mischformen denkbar:

Szenario 1 – Alles ist Tutti

Producer:in, Game Designer:in und Art Director:in verstehen sich im besten Falle alle einfach nur super. Sie sind immer einer Meinung. Oder sie haben gar keinen Stress Meinungsverschiedenheiten aus der Welt zu schaffen.

Dann ist das schlimmste was in diesem bestmöglichen Fall passiert, dass sie halt einfach deutlich mehr Zeit brauchen, um sich ohne bestehende Hierarchie abzustimmen und um Kommunikationsstrukturen, Feedbackprozesse und Weisungsbefugnisse irgendwie selber hin zu klamüstern. So schaffen sie es dann irgendwie, die ganzen Aufgaben des Creative Directors mehr oder weniger informell unter sich aufzuteilen. Und dabei auch jene Aufgaben, für die sie eigentlich gar nicht qualifiziert sind und bei denen sie dann natürlich auch nicht unbedingt die gleiche Qualität hervor bringen, wie jemand, der dafür qualifiziert wäre. (Zum Beispiel im Soundbereich, Narrative Design, etc.)

Diese „Lösung“ müssen kleinere Teams häufig einfach irgendwie in Kauf nehmen, weil schlicht das Budget nicht noch mehr Stellen zulässt. Ist nicht schön, muss aber manchmal halt einfach so. Aber selbst dann würde ich mit Nachdruck dafür plädieren, diese ganzen Aufgaben wirklich bewusst und gezielt zu verteilen. Oder noch besser: dem oder der Game Designer:in oder Art Director:in die Position des Creative Directors mit zu geben, sofern er oder sie auch nur einigermaßen dafür qualifiziert ist. Auch wenn das wieder andere Nachteile mit sich bringt, wenn ein Teammitglied mehrere Rollen übernehmen muss, ist das oft immer noch die bessere Lösung.

Szenario 2 – Alles ist nicht Tutti

Oder es tritt der durchaus realistischere Fall ein: Producer:in, Game Designer:in und Art Director:in sind nicht auf magische Weise seelenverwandt und haben einfach – wie das nun mal unter Menschen so ist – auch mal ganz unterschiedliche Auffassungen davon, wie das Produkt am Ende aussehen soll, wer für was zuständig ist und wie was abzulaufen hat. Dazu kommt, dass nahezu zwangsläufig immer wieder Situationen entstehen, in denen unklar ist, wer eigentlich für Aufgaben zuständig ist, die eigentlich in keinen der drei Aufgabenbereiche direkt hinein fallen.

In diesem – wie gesagt sehr viel realistischeren Fall – brauchen dann nicht nur zahlreiche Aufgaben länger und werden nicht mit der bestmöglichen Qualität ausgeführt. Sondern es bleiben auch immer wieder Sachen oft unerkannt liegen, weil unklar ist, wer dafür zuständig ist. Dazu kommt, dass fortwährende – und meines Erachtens maximal unnötige – Konflikte schlicht vorprogrammiert sind.

Unterm Strich: Wenn ihr könnt, beschäftigt eine/n Creative Director:in

Unterm Strich kann man sagen, dass kreative Teams mit gutem Creative Director schlicht smoother laufen, weniger schief geht und liegen bleibt, und dass sich in Teams mit CD alle ein kleines bisschen mehr lieb haben, weil unendlich viele unnötige Konflikte und Prozessverluste von vornherein vermieden werden. Dazu kommt, dass auch das Produkt in der Regel deutlich besser wird, weil es natürlich viel konsistenter und kohärenter wird, wenn jemand tatsächlich genau dafür zuständig ist. Oh Wunder… 😉

Von meiner Seite also klare Empfehlung: Wenn ihr könnt, dann beschäftigt eine/n Creative Director:in. Das geht auch prima in Teilzeit oder / und mit einem Freiberufler.

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